Das Rentenniveau bleibt bis 2031 stabil. Doch das reicht nicht, die Altersarmut ist hoch, die Finanzierung unsicher. Die Forderung: Merz muss bei der Rente endlich Mut beweisen.
Berlin – Die Bundesregierung will die Rente stabilisieren. Dazu hat das Kabinett unter Bundeskanzler Friedrich Merz am Mittwoch die Stabilisierung des Rentenniveaus auf 48 Prozent bis ins Jahr 2031 festgelegt. „Gerade in unsicheren Zeiten sendet das Rentenpaket 2025 eine klare Botschaft an alle Generationen: Die Rente bleibt stabil und gerecht“, sagte Arbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) dazu. Stabile Renten – was gut klingt, wird aber trotzdem von vielen sehr unterschiedlichen Seiten kritisiert. Einig sind sich die Lager in einer Sache: Die Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD tun nicht genug, um die Rente tatsächlich zu sichern.
Grundsätzlich positiv wertet der Sozialverband Deutschland (SoVD) die Stabilisierung für die mehr als 20 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland. „Aber: Bei der Stabilisierung des Rentenniveaus darf natürlich nicht Schluss sein. Das Rentenniveau muss perspektivisch wieder steigen, um die Lebensstandardsicherung zu gewährleisten“, sagt SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA.
Für Millionen Rentner wird das Rentenniveau stabilisiert
Der Sozialverband will besonders die gesetzliche Rente stärken. „Generell wünschen wir uns von der neuen Bundesregierung den Mut, eine echte Rentenreform anzugehen, mit der Abkehr vom Mehr-Säulen-Modell [gesetzliche, betriebliche und private Altersvorsorge; Anm. d. Red.] hin zur Lebensstandardsicherung über die gesetzliche Rente“, so Engelmeier. Die ehemalige SPD-Politikerin fordert ein Rentenniveau von 53 Prozent, eine höhere Grundrente und, Selbstständige, Beamte sowie Abgeordnete in die gesetzliche Rente einzahlen zu lassen. „Parallel braucht es Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt für gute Löhne, gute Arbeitsbedingungen, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und für ein langes gesundes Arbeiten.“
Zukunft der Rente in Gefahr: Kostenexplosion oder Leistungskürzung?
Grund für die Kritik ist die unsichere Finanzierungslage der gesetzlichen Rente. Nach und nach geht mit den Babyboomern die mit Abstand größte Einzahlergeneration in Rente – und wird somit zur mit Abstand größten Empfängergeneration. Zwar dürften mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung in Zukunft einmal wenige Enkelkinder für wenige Kinder zahlen und das Umlagesystem damit wieder stabiler dastehen. Doch bis dahin muss die gesetzliche Rente noch die Herkulesaufgabe stemmen, auch den Boomern ein auskömmliches Altersgeld zu garantieren. Deshalb fordern Fachleute seit Jahren weitreichende Reformen der Rente, um die explodierenden Kosten irgendwie stemmen zu können. Schon jetzt geht zusätzlich zu den Rentenbeiträgen jeder vierte Euro des Bundeshaushalts in den Ausgleich der Rente.
Die Bundesregierung unter Kanzler Merz sowie Arbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) hat bisher keinen großen Reformplan vorgelegt, der die Zukunft der Rente in Deutschland festlegt. Fakt ist: Die Kosten für die gesetzliche Rente werden mittelfristig explodieren, wenn es weitergeht wie bisher. Entweder müssen also mehr Steuermittel zur Kompensation herhalten, das Renteneintrittsalter erhöht, Leistungen gekürzt werden oder die Sozialversicherungsbeiträge noch weiter steigen. So oder so: Unangenehme Entscheidungen stehen an – werden von der Bundesregierung bisher jedoch nicht getroffen. Stattdessen einigte man sich im Koalitionsvertrag auf die Einrichtung einer Rentenkommission, die bis 2027 Maßnahmen erarbeiten soll. Diesen vom SoVD kritisierte fehlenden Mut von Schwarz-Rot bemängeln auch Beobachterinnen und Beobachter aus dem anderen politischen Lager.
Union und SPD trauen sich nicht an die Rente – auf Kosten der jungen Generationen
Marcel Thum, Professor für Finanzwirtschaft an der TU Dresden erklärte nun in einem Gutachten für die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung, dass Deutschland vor einer „dramatischen demografischen Herausforderung“ stehe. „Ohne Reformen droht der Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung bis 2050 von 18,6 Prozent auf 22 Prozent zu steigen – mit gravierenden Folgen für Beschäftigte und Unternehmen“, so Thum. Auch auf liberaler Seite werden der Kabinettsbeschluss und die Stabilisierung des Rentenniveaus meist wohlwollend bewertet. Kritik gibt es dort vor allem, dass die Bundesregierung nicht mehr tue und sehenden Auges in eine Finanzierungskatastrophe laufe.
„Die Lebenserwartung der Deutschen ist angestiegen und die jüngeren Kohorten sind deutlich dünner besetzt als die Babyboomer-Generation. Die Kosten der Alterung dürfen aber nicht einseitig den jüngeren Menschen zugeschoben werden“, sagt Finanzexperte Thum und nimmt die Bundesregierung in die Pflicht, echte Reformen anzustoßen: „Deshalb sollte der Nachhaltigkeitsfaktor wiedereingeführt und das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung gekoppelt werden. Mit Mütterrente und Haltelinie geht es leider gerade in die falsche Richtung.“
Neuer Newsletter „Unterm Strich“
Was? Exklusive Einblicke in den Politik-Betrieb, Interviews und Analysen – von unseren Experten der Agenda-Redaktion von IPPEN.MEDIA
Wann? Jeden Freitag
Für wen? Alle, die sich für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft interessieren
Wo? Direkt in ihrem E-Mail-Postfach
Wie? Nach einer kurzen Registrierung bei unserem Medien-Login USER.ID hier kostenlos für den Newsletter anmelden
Dass sich bei der Rente etwas tun muss, ist allen klar. Wie, darüber wird eifrig gestritten. Beliebt werden die nötigen Entscheidungen nicht, ohne bittere Nachrichten wird es nicht gehen. Doch selbst die Konfliktparteien sind sich einig: Nichts tun ist keine Option. Der Druck auf die Bundesregierung steigt also.