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München – Mehr als die Hälfte aller Deutschen bezeichnet sich als wetterfühlig. Zumindest laut einer Umfrage des Deutschen Wetterdienstes (DWD) von 2015. Die häufigsten Beschwerden: Kopfschmerzen, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Gelenkschmerzen und Schlafstörungen. Dass das Wetter Einfluss auf die Gesundheit haben kann, da sind sich auch Wissenschaftler einig. Der DWD gibt daher sogar sogenannte Biowetterprognosen mit Gefahrenindizes für Wetterfühlige heraus. Sie sollen besonders Personen mit Herz-Kreislauf-Beschwerden und asthmatischen oder rheumatischen Erkrankungen helfen.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Text ist bereits in der Vergangenheit auf tz.de erschienen. Er hat viele Leserinnen und Leser besonders interessiert. Zum Wetterwechsel bieten wir ihn daher erneut an.
Münchner Arzt klärt über Wetterfühligkeit auf – „Wetter ist halt nicht nur Temperatur“
Für genau diese Personen sind laut Prof. Dr. Jörg Schelling, Hausarzt im Münchner Umland, die Biowetterprognosen auch gedacht. „Ich halte die Prognose durchaus für sinnvoll. Wenn man auf etwas vorbereitet ist, was am nächsten Tag oder am nächsten Wochenende auf einen zukommt, dann kann man sich da auch schon einstellen und läuft nicht ins offene Messer“, erklärt er im Gespräch mit unserer Redaktion.
Wetter sei eben nicht nur Temperatur und ob es draußen nass ist oder nicht. Es sei eben auch der Luftdruck, die Zusammensetzung der Luft und die Luftfeuchtigkeit entscheidend. Für Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen, bestehenden Beschwerden oder geschwächtem Kreislaufsystem stellt ein starker Umschwung durchaus eine Herausforderung dar.
Wetterumschwünge führen zu mehr Patienten in Praxen
Vor allem starke Wetterumschwünge würden dafür sorgen, dass in den Praxen mehr Patienten auftauchen. Wenn es schlagartig warm wird, haben Menschen mit Herz-Kreislauf-Beschwerden, Nierenerkrankungen und Rheuma mehr zu kämpfen. Wird es kalt, können Menschen mit Arthrose stärker leiden. Eine höhere Luftfeuchtigkeit macht Atemwegserkrankten wie Asthmatikern und Menschen mit chronischer Bronchitis zu schaffen und kann im schlimmsten Fall sogar zur Atemnot führen.
Für Symptome wie Kopfschmerzen und Migräne sind die Veränderung vom Luftdruck sowie die Lichtintensität entscheidend. „Auch wenn die Sonne plötzlich sehr stark blendet, nachdem das längere Zeit nicht der Fall war, kann das die Migräne verschlimmern.“
Tipps für Wetterfühlige: Notfallplan zurechtlegen
Hilflos ausgesetzt sind Betroffene dem Wetter jedoch nicht. Sie können sich laut Schelling „einen Notfallplan“ zurechtlegen. Heißt konkret: „Brauche ich eine bestimmte Tablette mehr zum Beispiel, ändere ich vielleicht meinen Tagesablauf, belaste ich mich weniger, gehe ich weniger raus in die Hitze und mache ich mir weniger zusätzlichen Stress mit irgendwelchen Terminen.“ Für chronisch Kranke ist zudem wichtig, den Medikationsplan anzupassen, wie zum Beispiel bei Diabetes oder Niereninsuffizienz.
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Für den normal gesunden Menschen, der sensibel auf Wetter reagiert, hat Schelling keine guten Nachrichten. „Also man kann tatsächlich gegen die Naturgewalten nichts tun.“ Es gebe keine einfache Gegenmaßnahme, er glaubt allerdings, dass allein das Bewusstsein helfe, dass ein Wetterumschwung bevorsteht. „Und dann natürlich parallel sich nicht hineinsteigern und in Angst verfallen, sondern wissen, dass auch das vorübergeht“, rät Schelling. „Das Wetter ist ja zum Glück wechselhaft und im Regelfall dauern diese Umschwünge ja meistens nur wenige Tage“.
Kneipp-Anwendungen, wie Wechselduschen oder Saunagänge hält Schelling für keine schlechte Idee. So kann sich der Körper an Temperaturwechsel gewöhnen. Einen fundierten, wissenschaftlich nachgewiesenen positiven Zusammenhang gibt es dafür allerdings nicht, betont er.
Klimawandel trägt zu Umschwüngen bei: „Grundsätzlich wird das Wetter instabiler“
Insgesamt befürwortet Schelling die Biowetterprognosen zur Gesundheit. Bei manchen Wetterportalen ist aber auch Vorsicht geboten. Einige geben bestimme Skalen für die möglichen Symptome eines Wetterumschwungs heraus. So kann pro Tag eingesehen werden, ob das Wetter in den nächsten Tage zum Beispiel Kopfschmerzen, Reizbarkeit oder die „Bereitschaft zu Depression“ beeinflussen könnte. „Da muss man natürlich aufpassen, gerade wenn es um die psychosomatischen Beschwerden geht, wenn es um Kopfschmerzen geht, wenn es um Stimmungsschwankungen geht, dass man da auch sehr vorsichtig damit umgeht und sich nicht zu sehr verunsichern lässt.“
Klar ist, dass Wetterumschwünge in den nächsten Jahren wohl nicht weniger werden. „Durch die Klimaveränderungen wird es sicherlich nicht normaler werden“, erklärt Schelling. „Man darf das jetzt natürlich auch nicht immer hochstilisieren zur totalen Panik, aber dass grundsätzlich das Wetter instabiler wird, dass wir alle starke Wetterumbrüche und Veränderungen erleben, dass sich der Rhythmus der Jahreszeiten teilweise auch verändert hat, das ist nicht nur gefühlte Realität, sondern auch messbare Realität.“ (tkip)