Hochwasser bedroht die Menschen in Zentraleuropa: In Österreich bereiten sich Einsatzkräfte darauf vor, Menschen in Sicherheit zu bringen. Einige Gebiete wurden zum Katastrophengebiet erklärt. Auch in Deutschland bereitet man sich vor.
Einsatzzentralen in Österreich haben wegen der anhaltenden schweren Regenfälle mehr als ein Dutzend Gemeinden zum Katastrophengebiet erklärt. In der Region Waldviertel rund 120 Kilometer nordwestlich von Wien wird Hochwasser erwartet, wie es im langjährigen Durchschnitt nur alle 100 Jahre vorkommt.
Bundeskanzler Karl Nehammer sagte am Samstagabend dem Sender ORF, in den Hochwassergebieten spitze sich die Hochwasserlage bei anhaltendem Regen weiter zu. Die Armee stehe bereit, Unterstützung zu leisten. 24 Gemeinden wurden wegen Überschwemmungsgefahr zum Katastrophengebiet erklärt. Besonders prekär ist die Lage in der Region Waldviertel in Niederösterreich nördlich von Wien. Dort führte der Kamp, einem Zufluss der Donau, schon massives Hochwasser.
„Die kommenden Stunden werden für den Hochwasserschutz die Stunden der Wahrheit und für unsere Einsatzkräfte und zahlreiche Landsleute zu einer massiven Belastungsprobe“, warnte die Landeshauptfrau (Ministerpräsidentin) von Niederösterreich, Johanna Mikl-Leitner. „Gerade im Waldviertel erwarten wir Herausforderungen in historischer Dimension.“
Die Einsatzkräfte bereiten sich darauf vor, Menschen vorsichtshalber in Sicherheit zu bringen. Befürchtet wird unter anderem, dass der Stausee Ottenstein überlaufen könnte.
Deutschland erwartet Hochwasser-Woche
Angesichts heftiger Regenfälle im Südosten Deutschlands sowie vor allem in den Nachbarländern Tschechien und Österreich sind die Pegelstände von Elbe, Donau und weiteren Flüssen am Samstag deutlich gestiegen. Die Hochwasserlage wurde in Deutschland aber generell zunächst noch nicht als bedrohlich eingestuft. In Passau sollten allerdings ab dem Abend ufernahe Bereiche der Stadt gesperrt werden, an der Elbe und der Oder wurde bis Mitte kommender Woche mit weiteren Pegel-Anstiegen gerechnet.
Der Scheitelpunkt des Hochwassers dürfte in Passau am Sonntagmorgen erreicht werden – wie die Stadt mitteilte mit Pegelständen an der Donau von voraussichtlich etwa 7,90 Metern und am Inn von 5,50 Metern. Damit würde den Angaben zufolge die Meldestufe Drei der vierstufigen Skala in der Drei-Flüsse-Stadt knapp überschritten. Es wurden in Passau aber keine großflächigen Überflutungen erwartet.
Auch die bayerische Hochwasserzentrale rechnet in dem Bundesland nicht mit dramatischen Zuspitzungen. Zwar seien weiterhin ergiebige Regenfälle zu erwarten, doch der größte Teil der Niederschläge sei bereits gefallen. Gedämpft werde die Hochwasserentwicklung dadurch, dass in den Bergen statt Regen vielfach Schnee fiel. Gleichwohl sei außer in Passau auch an einigen weiteren Orten im Einzugsgebiet von Isar und Inn mit dem Erreichen der Meldestufe Drei zu rechnen, hieß es am Samstag.
Das Landeshochwasserzentrum Sachsen meldete am Samstagnachmittag, in den vergangenen 24 Stunden seien allein in Ostsachsen und im Erzgebirge zwischen 30 und 100 Liter Niederschläge gefallen, in Tschechien und Südpolen teilweise deutlich mehr. Nach einer kurzzeitigen Beruhigung werde am Sonntag im Tagesverlauf erneut Regen einsetzen, aber wohl nicht mehr in den gleichen Mengen wie zuvor.
An der Elbe wurde an den Pegeln Schöna und danach in Dresden ab der Nacht von Sonntag auf Montag mit dem Überschreiten der Richtwerte der Alarmstufe Drei von jeweils sechs Metern gerechnet. Danach könne es bis Donnerstag einen weiteren Anstieg bis auf 7,50 Meter in Schöna und sieben Meter in Dresden geben, was der höchsten Alarmstufe Vier entsprechen würde. Auch im weiteren Verlauf der Elbe und an Nebenflüssen wie der Schwarzen Elster wurde mit Hochwasser gerechnet, jedoch wohl in etwas geringerem Maße.
Eine gewisse Entwarnung gab es für das Stadtgebiet Dresden insofern, als dort laut Feuerwehr die Räumung der am Uferrand liegenden Trümmer der am Mittwoch teilweise eingestürzten Carolabrücke bis zum Samstagabend abgeschlossen werden sollte. Noch im Fluss liegende Brückenteile würden die Hochwasserlage voraussichtlich nicht signifikant beeinflussten, sagte der Leiter des städtischen Umweltamts, René Herold.
Zumindest ein Überschreiten der Alarmstufe Drei könnte es dem Landeshochwasserzentrum Sachsen zufolge außerdem im Flussgebiet der Lausitzer Neiße an der Grenze zu Polen geben. Hochwasserwarnungen bis hin zu Alarmstufe Vier veröffentlichte auch das brandenburgische Landesumweltamt für das Flussgebiet der Oder. Weitere Warnungen mit niedrigeren Alarmstufen gab es dort zudem für Elbe, Spree, Schwarze Elster und weitere Flüsse. Die Warnhinweise für Brandenburg sollen am Montag präzisiert werden.
Dramatische Lage in anderen Staaten
Wesentlich bedrohlicher war die Lage in Tschechien, Österreich und weiteren Staaten Zentral- und Südosteuropas. An mehreren Orten wurde der Notstand ausgerufen. Es gab durch Überschwemmungen vier Tote in Rumänien und vielerorts erhebliche Zerstörungen sowie teils massive Verkehrsbehinderungen. In Tschechien waren 60.000 Haushalte ohne Strom.
Wie die rumänischen Rettungskräfte am Samstag mitteilten, wurden in der südöstlichen Region Galati insgesamt fünf Tote gefunden, einer der Todesfälle stand jedoch in keinem Zusammenhang zum Hochwasser. „Wegen der starken Regenfälle gab es Überschwemmungen“ und insgesamt hätten landesweit Menschen gerettet werden müssen. Auf einem Video der Rettungskräfte waren dutzende Häuser entlang der Donau zu sehen, die unter Wasser standen. Regierungschef Marcel Ciolacu wurde im Hochwassergebiet erwartet.
„Das ist eine Katastrophe epischen Ausmaßes“, sagte der Bürgermeister des Dorfes Slobozia Conachi in Galati. Es seien bei ihm rund 700 Häuser überflutet worden, berichtete Emil Dragomir. Der rumänische Präsident Klaus Iohannis erklärte seinerseits: „Wir sind einmal mehr mit den Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert, die sich auf dem europäischen Kontinent immer stärker bemerkbar machen und dramatische Folgen haben.“
„Wir müssen auf die schlimmstmöglichen Szenarien vorbereitet sein“, sagte der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala nach einem Treffen mit seinem Krisenstab. „Ein hartes Wochenende liegt vor uns.“
Angesichts der Unwetter wurden 100.000 Feuerwehrmänner mobilisiert. Am Freitag waren fast 2900 Vorfälle gemeldet worden, vor allem Überschwemmungen und umgestürzte Bäume. In Brno im Südosten Tschechiens wurde am Samstag ein Krankenhaus evakuiert, die nordöstliche Region Mähren erklärte den Notstand.
Nach Angaben des tschechischen Wetterdienstes CHMU fielen in den am meisten betroffenen Regionen in den letzten 24 Stunden 100 bis 170 Millimeter Niederschlag. In Mikulovice im Bezirk Jesenik überfluteten Wassermassen aus den umliegenden Feldern Häuser und Straßen. Probleme bereitete dort auch die Bela, ein Nebenfluss der Glatzer Neiße. An zahlreichen Gewässern errichteten die Feuerwehren Barrieren aus Sandsäcken. Vielerorts stürzten Bäume wegen der durchnässten Böden um. Mehrere Bahnlinien waren unterbrochen.
In Prag liefen die Vorbereitungen auf das erwartete Moldau-Hochwasser auf Hochtouren. Es sollten in weiteren Stadtteilen Hochwasser-Schutzwände im Uferbereich errichtet werden. Der Schiffsverkehr wurde eingestellt. Mit dem Scheitelpunkt wurde in der tschechischen Hauptstadt in der Nacht auf Sonntag bei einem Durchfluss von rund 1000 Kubikmetern Wasser pro Sekunde gerechnet.
Mehr als 60.000 Haushalte waren am Morgen ohne Strom., berichtete CTK unter Berufung auf die Energieversorger. Am stärksten betroffen sei die Verwaltungsregion um Usti nad Labem (Aussig an der Elbe) im Nordwesten des Landes an der Grenze zu Sachsen. Allein dort waren demnach vorübergehend mehr als 20.000 Haushalte ohne Elektrizität. Als Grund wurde angegeben, dass wegen der durchnässten Böden und des starken Windes Bäume auf die Freileitungen fielen.
Dörfer in Polen evakuiert
Auch im Südwesten Polens ist die Lage ernst. In der Region Oppeln trat der Fluss Biala Glucholaska über die Ufer. Aus dem Dorf Glucholazy nahe der Grenze zu Tschechien mussten 400 Bewohner in Sicherheit gebracht werden. Innenminister Tomasz Simoniak war vor Ort und postete auf X Bilder von der Arbeit der Rettungskräfte.
Hundert Feuerwehrleute und 60 Polizisten seien in dem Dorf im Einsatz, schrieb Simoniak. Auch aus dem Dorf Morow musste ein Teil der Bewohner evakuiert werden, weil hier der Fluss Mora über die Ufer getreten war. Insgesamt fuhr die Feuerwehr in der Region 400 Einsätze. Das Meteorologische Institut rechnet weiter mit anhaltenden Regenfällen. An 35 Wassermessstationen sei der Alarmpegel bereits überschritten, teilte das Institut auf X mit.